Katzenleben gerettet - wer macht mit?
Es ist Freitagnachmittag, das Wetter ungemütlich und das Telefon klingelt.
Ich bin hundemüde. Eine Frau Maier aus Zazenhausen ruft an (woher hat
die eigentlich meine Telefonnummer?). Seit drei Tagen beobachtet sie
ein sichtlich geschwächtes, hinkendes, scheues "rotes Katerle"
um ihr Haus schleichen. Es frisst im Dunkeln die bereit gestellte Futterschüssel
blitzblank aus, folgt aber nicht der freundlichen Bitte, ins Haus zu
kommen. "Mein Gott, was muss ich auch bei der Katzenhilfe aktiv
sein", höre ich mich rumschnauzen, als das Gespräch beendet war.
Ein verletztes, geschwächtes Tier! Ich rufe meine Freundin an, die
auch bei der Katzenhilfe aktiv ist (wie praktisch!). Okay, der Krimi
ist gestrichen (hatte mir eh vorgenommen, weniger vor der Glotze zu
hocken), die Wärmeflasche, der Tee und die warmen Klamotten (nebst dicken
Decken) liegen bereit. Im Schuppen steht alles parat: Lebendfalle, Transportbox,
Taschenlampe, Futterschüssel, Futter, Handynummer vom Tierarzt. Wir
fahren in der Dämmerung los, platzieren die Falle nach Frau Maiers Anweisung
genau dort, wo die letzten Tage angefüttert wurde und warten im Auto,
den Blick gespannt auf die Falle gerichtet. Die zu Weihnachten geschenkten
Handschuhwärmer bewähren sich, der mitgebrachte Tee ist eine Wohltat.
Und überhaupt: Hätte ich sonst das Rezept von Tiramisu auf Tofubasis
erfahren? Und hätte meine Freundin bis ins Detail den Roman "Schande"
von J. M. Coetzee, Literaturnobelpreisträger 2003 erzählt bekommen?
Es
ist mittlerweile 23.00 Uhr, wir wollen abbrechen und nach Hause fahren.
Der Abend hat sich auch ohne Katzenfangen gelohnt. Ob ich auf
der Couch vor dem Fernehen so lange durchgehalten hätte? Eher nicht,
meint auch meine Freundin. Plötzlich ein Funkeln in der Nacht. Das
sind eindeutig Katzenaugen! Vorsichtig betätige ich das Fernlicht.
Das ist er: Ein Bild des Jammerns offenbart sich im Licht der Autoscheinwerfer.
Vor uns steht ein roter Kater, bis aufs Skelett abgemagert, die Verletzung
hinten links ist offensichtlich schlimmer als vermutet und muss verdammt
schmerzhaft sein. Wir bekommen Gänsehaut, aber ums Herz wird's uns
ganz warm. Die Tränen schießen uns in die Augen während der Abgemagerte ängstlich,
aber hungrig um die Falle schleicht. Der Hunger lässt ihn seine Vorsicht
vergessen. Er betritt die Falle, ein lauter Knall, die Klappe verschließt
den Fluchtweg.
Aus ca. 40 m Entfernung hat meine Freundin vom Auto
aus
den Zugmechanismus ausgelöst.
Er ist in Sicherheit, wir haben ihn!
Noch weiß er nicht, dass wir es gut mit ihm meinen.
"Sämmi", so haben wir ihn gleich getauft, sieht nicht gut
aus. Sein Zustand macht es notwendig, dass wir noch nachts den Tierarzt
aufsuchen. Natürlich haben wir vor der Fangaktion schon abgeklärt, bis
wann wir "was" bringen können.
Kurzum: Für "Sämmi" war es "höchste Eisenbahn".
Er war vollkommen verfloht, absolut schwach und die Verletzung, so tippt
der Tierarzt, durch einen Autounfall entstanden. Die bevorstehende Kälte
hätte er in diesem Zustand nicht überlebt. Es war, als wollte er Dankeschön
sagen, als er unentwegt an unserer Hand schleckte und kläglich miaute.
Er war glücklich, das konnte man jetzt sehen. Zweifelsohne spürte er,
dass wir seine Lebensretter sind.
Anhand seiner Tätowiernummer konnten wir drei Tage später seine Besitzer
ausfindig machen. "Sämmi" hieß "Fritzi". Er wurde
nach dem Umzug seiner Besitzer viel zu früh wieder raus gelassen (merke:
6 Wochen im Haus lassen ist Pflicht!) und war offensichtlich auf der
Suche nach seinem alten Revier. Er war ca. 25 km vom Wohnort seiner
Familienangehörigen entfernt und bereits seit 4 Monaten vermisst. Hätte
Frau Maier nicht angerufen, so der Tierarzt, er wäre in den nächsten
Tagen an Schwäche gestorben. Ja, und wären wir nicht gewesen...
Ein tiefes, zufriedenes Gefühl überkommt uns. Wir sind froh, dass wir
den Krimi verpasst haben, mal wieder richtig nett miteinander quatschen
konnten (wenn auch im Auto) und dabei einem Vierbeiner das Leben gerettet
haben. Er hat ja nur das eine! Schade, dass zu viele sagen: Ich nicht!
Aber wenn nicht Sie, wer dann?
Dieser Text wurde uns freundlicherweise von Andrea Müller,
Katzenhilfe-Stuttgart e.V. zum Abdruck freigegeben.
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