Von der Ölmühle zur Putztuchweberei
Zwischenstopp
Serie: Haltestellen und ihre Namen
Zuffenhausen/Zazenhausen. Den Menschen in Bussen und Bahnen fällt
es kaum auf: Manche Orte erzählen schon mit ihrem Namen, dem Haltestellennamen,
eine Geschichte. Heute: Reibedanz.
Dieser Name einer Haltestelle gehört nun wahrhaft zu den
geheimnisvollsten dieser Stadt. Sie liegt am nordöstlichen
Ende Zuffenhausens, direkt an der Gemarkungsgrenze zu Zazenhausen,
die hier von der Straße "Hohlgraben" gebildet wird.
Weit und breit kein Gewann, kein Gasthaus, das diese Bezeichnung trüge.
Die Nachforschungen haben ergeben: Der Begriff ist der allerletzte
Rest eines alten Unternehmens.
Die Geschichte beginnt im vorletzten Jahrhundert, wie der Heimatgeschichtliche
Arbeitskreis Zuffenhausen ermittelte. 1841 beantragte der Zimmermann Josef Veil
am Feuerbach eine Ölmühle bauen zu dürfen. In derartigen Anlagen
presste und presst man aus Samen von Raps, Lein oder anderen Pflanzen das begehrte
flüssige Speisefett.
Die Geschäfte scheinen zumindest auskömmlich gelaufen zu sein, denn
1879 kaufte Veils Schwiegersohn Friedrich Thomä aus Stuttgart Gebäude
und Betrieb; beides ging 1898 an dessen Sohn Friedrich Thomä jr. über.
Der weitete das Unternehmen aus, richtete 1911 ein Öllager und ein neues
Büro in der Panoramastraße 3 ein (heute: Schwieberdinger Straße).
In den Notzeiten nach dem Ersten Weltkrieg musste die Ölmühle bei Zazenhausen
dann die Produktion einstellen. Eine
Firma „Reibedanz & Co." kaufte1920 das Gemäuer; sie kam möglicherweise
aus Berlin hierher, denn nur in der Hauptstadt gibt
es den Familiennamen in exakt dieser Schreibweise. Der Betrieb stellte Putz-
und Poliermaterial her, hieß zu Zeiten ausdrücklich „Putztuchweberei".
In großen Lettern stand „Reibedanz u. Co." an dem markanten Backsteingebäude,
der Name prägte sich ein. Ab 1933 lautete die Adresse Zazenhäuser Straße 105.
Über die weitere Entwicklung des Unternehmens ist derzeit leider nichts
bekannt. Wohl 1995 kaufte jedenfalls eine Wiesbadener Wäscherei den Betrieb,
der ab dieser Zeit als „Reibedanz + Co. Industrietextilien
GmbH" firmierte. So tauchte er auch noch im Adressbuch von 1998 auf, dann nicht mehr:
Offenbar wurde in jenem Jahr die Produktion eingestellt. 1999 kam
auch für die verschachtelten Gebäude das Aus: Sie fielen
der Spitzhacke zum Opfer. Auf der Fläche stehen heute moderne
Reihenhäuser. Übrig blieb nur der (Haltestellen-)Name.
Mit dem Familienname Reibedanz (oder Reibetanz) hat es übrigens eine ganz reizvolle Bewandtnis.
Als im späten Mittelalter die Familiennamen
entstanden, gab es, so der Sprachwissenschaftler Josef Brechenmacher,
die Redensart „den Tanz rîben" im Sinne von „zum
Tanz aufspielen, den Tanz mit der Fidel begleiten". Dem Musikanten
rief man also zu: „Rîbe den Tanz!" Die zusammengeschrumpfte
Aufforderung blieb als so genannter Übername an dem Geiger -
und seinen Nachkommen - hängen.
Seinen Namen verdankt diese Haltestelle dem Putzwarenhersteller "Reibedanz & Co",
welcher früher an der Kreuzung "Hohlgraben" / "Zazenhäuser Straße"
existierte.
Der Putzwarenhersteller "Reibedanz & Co" kaufte im Jahre
1920 die Gebäude der
ehemaligen Ölmühle in Zazenhausen. Das Luftbild stammt aus den 1970er Jahren.
Der Betrieb stellte Putz- und Poliermaterial her, hieß zu Zeiten
ausdrücklich
"Putztuchweberei". Foto: Walker, 1989
Aus der Zeitung: Auf dem Gelände der ehemaligen Putztuchweberei "Reibedanz"
wollte ALDI eine neue Filiale bauen