Stuttgart

Eingemeindungs-Vertrag

mit  Zazenhausen

vom 29. April 1933.


Zwischen

der Stadtgemeinde Stuttgart

und

der Gemeinde Zazenhausen
AOA. Stuttgart

wird der nachstehende Eingemeindungsvertrag geschlossen:

§ 1.
Eingemeindung.

(1) Die Gemeinde Zazenhausen wird unter Ausscheidung aus dem Bezirk des Amts-
oberamts Stuttgart mit der Stadtgemeinde Stuttgart vereinigt.

(2) Die Einwohner der beiden Gemeinden haben nach der Vereinigung die gleichen
Rechte und Pflichten sofern in diesem Vertrag nichts Abweichendes bestimmt ist.
Die Bürger der Gemeinde Zazenhausen werden mit der Vereinigung Bürger der Stadt-
gemeinde Stuttgart.

(3) Die frühere Gemeinde Zazenhausen erhält die Bezeichnung Stuttgart-Zazenhausen (innerdienstlich: Stadtgemeinde Stuttgart, Stadtteil Zazenhausen).

§ 2.
Zeitpunkt.

(1) Die Vereinigung erfolgt vorbehältlich anderweitiger Bestimmung durch die Ministerial-abteilung für Bezirks- und Körperschaftsverwaltung auf 1. Mai 1933.

(2) Der Haushalt der Gemeinde Zazenhausen wird jedoch mit Wirkung vom 1. April 1933 auf Rechnung der Stadtgemeinde Stuttgart geführt'. Hinsichtlich der Gemeindeumlage und des Gemeindezuschlags zur Gebäudeentschuldungssteuer wird Zazenhausen so behan-delt, wie wenn es schon mit Wirkung vom 1. April 1933 an mit Stuttgart vereinigt worden wäre.

§ 3.
Rechtsnachfolge.

Die Stadtgemeinde Stuttgart wird Rechtsnachfolgerin der Gemeinde Zazenhausen. Das gesamte Vermögen der Gemeinde Zazenhausen geht mit der Eingemeindung auf die Stadtgemeinde Stuttgart über, die ihrerseits alle privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Lasten und Verbindlichkeiten der Gemeinde Zazenhausen übernimmt.

§ 4.
Markung Zazenhausen.

Die seitherige Markung Zazenhausen besteht weiter, ohne dass jedoch Zazenhausen eine Teilgemeinde im Sinne von Art.288 der Gemeindeordnung vom 19. März 1930 bilden würde.

§ 5.
Einführung des Stuttgarter Ortsrechts.

(1) Soweit gemäss Art. 13 der Gemeindeordnung das Stuttgarter Ortsrecht in Zazenhausen mit der Eingemeindung in Kraft tritt, wird die Stadtgemeinde Stuttgart bei seiner Durch-führung im Rahmen des rechtlich Zulässigen auf die besonderen Verhältnisse des neuen Stadtteils Rücksicht nehmen.

(2) Soweit in diesem Vertrag nichts anderes bestimmt ist, treten mit der Eingemeindung auch die privatrechtlichen Vorschriften über die Benützung städtischer Einrichtungen, insbesondere die Lieferungsbedingungen der städtischen Werken dem neuen Stadtteil in Kraft.

§ 6.
Ausnahmen von den Steuerordnungen.

(1) Baulandsteuer:

a) Bis zum 31. März 1934 wird die Baulandsteuer in Zazenhausen nicht erhoben.

b) Späterhin werden für die Durchführung der Steuer, insbesondere für Veranlagung, Nach-lass und Befreiung, die Stuttgarter Verwaltungsgrundsätze angewendet.

(2) Hundesteuer:

Die Hundesteuer wird bis zum 31. März 1934 nach den zurzeit in Zazenhausen geltenden Sätzen erhoben. Von da an gilt die Stuttgarter Ordnung.

§ 7.
Strassenreinigung. Strassenkostenbeiträge. Dolenbeiträge

Die bisherige Ordnung bleibt bestehen, solange sich die Verhältnisse nicht wesentlich verändern.

§ 8.
Amtsverkehr.

Die Stadtgemeinde Stuttgart wird dafür besorgt sein, dass den Einwohnern von Zazen-hausen der Verkehr mit den städt. Beamtungen erleichtert wird.

§ 9.
Uebernahme von Beamten, Angestellten und Arbeitern.

Die seitherigen hauptamtlich tätigen Beamten und Angestellten und die vollbeschäftigten Arbeiter der Gemeinde werden in den Dienst der Stadtgemeinde Stuttgart übernommen und möglichst ihrer bisherigen Tätigkeit entsprechend verwendet.
Bei den verwaltungsmässig vorgebildeten Beamten wird nähere Bestimmung ihres
Amtssitzes vorbehalten.

§ 10.
Uebernahme von Einrichtungen und Förderung der Wirtschaft.

(1) Die Stadtgemeinde Stuttgart übernimmt mit der Eingemeindung die Unterhaltung der bestehenden öffentlichen Einrichtungen aller Art. Diese Einrichtungen sind, solange hiefür ein Bedarf ist, in gleicher Weise wie in Stuttgart selbst zu unterhalten, zu erhalten, aus-zubauen und fortzuentwickeln.

(2) Die Stadtgemeinde Stuttgart wird dem neuen Stadtteil auf allen Gebieten volle Gleich-berechtigung und Gleichbehandlung mit den übrigen Stadtteilen angedeihen lassen und dafür sorgen, dass ihre Entwicklung möglichst in der bisherigen Weise fortschreitet.

(3) Die Stadtgemeinde Stuttgart wird auf die Unternehmungen, die von Zazenhausen schon bisher vorgesehen sind, besondere Rücksicht nehmen und den auf die Durchführung dieser Pläne gerichteten Wünschen im Rahmen des wirtschaftlich Gebotenen und finanziell Möglichen Rechnung tragen.

(4) Diese Unternehmungen sind:

1. Verbreiterung der Strasse von Zazenhausen nach Mühlhausen a.N.
2. Erstellung eines Leichenhauses.

(5) Des weiteren wird die Stadtgemeinde Stuttgart darauf hinwirken, dass die
Einwohner von Zazenhausen den gleichen Milchpreis (Erzeugerpreis) erhalten, wie
diejenigen von Zuffenhausen.

(6) Endlich wird die Stadtgemeinde Stuttgart die von dem Turnverein Zazenhausen erstellte Turnhalle in ihr Eigentum übernehmen unter Uebernahme der auf dem Anwesen ruhenden Verbindlichkeiten.

§ 11.
Elektrizitätsversorgung.

(1) Zunächst gelten für den Stadtteil Zazenhausen die bestehenden Stromlieferungs-bedingungen einschliesslich der Tarife fort.

(2) Falls die Stadtgemeinde Stuttgart auf Grund des zwischen ihr und der Neckarwerke-A.G. bestehenden Gebietsabgrenzungsvertrags die Elektrizitätsversorgung des Stadtteils Zazenhausen übernehmen will, gelten von diesem Zeitpunkt an die Stuttgarter Bezugsbedingungen einschliesslich der Tarife, sofern dies rechtlich möglich ist.

§ 12.
Schlachthofzwang. Fleischbeschau.

(1) Die gewerbsmässigen Schlachtungen unterliegen bis zum 1. Januar 1938 nicht
dem Schlachthofzwang.

(2) Dem Schlachthofzwang unterliegen bis 1. Januar 1938 auch nicht die Haus-schlachtungen (§2 des Fleischbeschaugesetzes). Vom 1. Januar 1938 ab gelten
für diese Schlachtungen die für die äusseren Stadtteile Stuttgarts erlassenen
Bestimmungen.

(3) Die Schlachtvieh-, Fleisch- und Trichinenschau wird bis 1. Januar 1938 in der seitherigen Weise ausgeübt. Zazenhausen bildet bis dahin einen selbständigen
Schaubezirk; die gesamte Fleischbeschau untersteht von der Eingemeindung an dem
Fleischbeschauamt Stuttgart-Schlachthof.

§ 13.
Feuerwehrwesen.

(1) Die Stadtgemeinde Stuttgart verpflichtet sich, der Freiwilligen Feuerwehr Zazenhausen Jahresbeiträge sowie die Unterhaltung der Ausrüstung und der Uniformstücke nach den für die Freiwilligen Feuerwehren der Stadtgemeinde Stuttgart gültigen Grundsätzen zu gewähren.

(2) Eine Feuerwehrabgabe wird künftig nicht mehr erhoben.

§ 14.
Friedhofwesen.

(1) Die Bestattungs- und Friedhofordnung der Stadt Stuttgart einschliesslich der Bepflanzungsvorschriften und Grabmalordnung gilt auch für Zazenhausen. Bei
Anwendung dieser Vorschriften sind insbesondere während der Uebergangszeit Härten zu vermeiden.

(2) Bis zum 31. März 1943 dürfen jedoch für in der seither üblichen einfachen Weise erfolgende Bestattungen keine Gebühren erhoben werden. Für Familien- und über-gangene Gräber werden die bisherigen Gebühren bis auf weiteres beibehalten.

(3) Die Markung Zazenhausen bildet bezüglich der allgemeinen Gräber einen Bestattungs-bezirk für sich.

(4) Nach Erstellung eines Leichenhauses gilt auch für Zazenhausen die Stuttgarter Leichenhausordnung.

§ 15.
Unterstützung von Vereinen.

Den in der Gemeinde Zazenhausen bestehenden wohltätigen und gemeinnützigen
Vereinen und Anstalten, die zurzeit Beiträge oder sonstige Unterstützungen von
der Gemeinde Zazenhausen erhalten, sollen auch in Zukunft angemessene Beiträge
gereicht werden, soweit die Voraussetzungen dieselben sind wie gegenwärtig.

§ 16.
Vergebung von Arbeiten und Lieferungen.

Bei der Vergebung von städtischen Aufträgen für Arbeiten in Zazenhausen sowie für die in Zazenhausen verbleibenden städtischen Betriebe und Anstalten sind Gewerbetreibende, die ihre Hauptniederlassung in Zazenhausen haben, insbesondere auch Klein-Unternehmer, bei gleicher Billigkeit und Zuverlässigkeit vorzugsweise vor anderen zu berücksichtigen.

§ 17.
Sparkassenwesen.

Die Stadtgemeinde Stuttgart wird darauf hinwirken, dass die städt. Spar-und Girokasse Stuttgart die in Zazenhausen bestehende Zahlstelle der Oberamtssparkasse Stuttgart-Amt übernimmt und weiterführt.

§ 18.
Streitigkeiten.

(1) Ueber Streitigkeiten, die sich aus vorstehender Vereinbarung oder aus der nach Art. 6 Abs. 1 der Gemeindeordnung erforderlichen Genehmigung der Ministerialabteilung für Bezirks- und Körperschaftsverwaltung ergeben, entscheidet diese Ministerialabteilung.

(2) Zur Wahrnehmung der Rechte und Interessen der bisherigen Gemeinde Zazenhausen bei Streitigkeiten dieser Art sind jeweils die im Stadtteil Zazenhausen wohnhaften Mitglieder des Gemeinderats Stuttgart, und zwar je einzeln oder gemeinsam, berechtigt. Sind solche nicht vorhanden, so treten an ihre Stelle die auf Grund des Gleichschaltungsgesetzes bestellten Gemeinderäte von Zazenhausen.
Die Berechtigung endet mit dem 31. März 1937.

(3) Im Zweifel bestellt die Ministerialabteilung für Bezirks- und Körperschaftsverwaltung einen Vertreter.

§ 19.
Begünstigung Dritter.

Soweit durch die Bestimmungen dieses Vertrags andere (natürliche oder juristische) Personen als die Vertragsparteien begünstigt werden, erwerben diese aus dem Vertrag keine Rechtsansprüche gegen die Vertragsparteien.

 

Stuttgart, den 29. April 1933.
Zazenhausen

 

 

Der Staatskommissar
für die Verwaltung der Stadtgemeinde
Stuttgart:

(gez.) Strölin.

Für die Gemeinde Zazenhausen
Bürgermeisteramtsverweser:


(gez.) Huber.

 [ Drucken ] [ Schließen ]