Kirchengemeinde Zazenhausen
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Stand: 2008 |
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Das Labyrinth in der Kathedrale von Chartres
Ich hatte das Glück, viel Zeit und einen Führer zu haben, der unsere Gruppe nicht in den üblichen 30 Minuten durchschleuste und uns die großen Portaltore zu Zeiten öffnete, wenn sie für die Öffentlichkeit geschlossen waren. Das war ein besonderer Moment, morgens in die noch stille, dunkle und menschenleere Kathedrale zu treten. Wie spürbar ist hier die Größe unseres Schöpfers. Und mit ihm die Genialität der Menschen, die so ein Bauwerk schaffen konnten. Noch Jahrhunderte später spürt der moderne, an „Wolkenkratzer“ gewöhnte Mensch, wie er gleichzeitig äußerlich ganz klein und dabei innerlich groß und weit wird und eine immense Energie im Raum fließt. Wie muss dies erst auf den Menschen im Mittelalter gewirkt haben. Diese Intensität verliert sich, sobald die ersten Besuchergruppen strömen. Das Gemurmel der Stimmen, das Tappen der vielen Füße und das Klicken der Fotoapparate zerreißt die Stille und die Energiefelder. Höhepunkt der Reise war natürlich das Begehen des weltberühmten Labyrinths. Das Labyrinth, das mir so vertraut schien vom Kirchplatz der Nazariuskirche – hier lag es vor mir in den Steinfußboden eingelassen. Welch andere Dimensionen bekommt es in dieser Säulenhalle! Immerhin hat es einen Durchmesser von 12,5 Metern und eine Wegelänge von 261,55 Metern. Das ist mehr als ein Viertelkilometer. Beim Gehen begreife ich: das Labyrinth ist wie das Leben! Wie ein kleines Kind, das eben laufen lernt, setze ich die ersten Schritte behutsam und mit großer Konzentration. Nach den ersten Windungen geht es schon wie von selbst und ich nehme meine Umgebung wahr. Ich bin ja nicht allein unterwegs auf dem Labyrinth – wie wir auch unser Leben nicht allein leben: Links und rechts von mir gehen meine Reisegefährten, in manchen Kehren wird es eng um mich und ich wünsche mir mehr Platz. Doch dann führt mich mein Weg durch zwei Windungen ans andere Ende des Labyrinths: Plötzlich gehe ich allein, schaue mich irritiert um nach meinen bisherigen Weggefährten. Habe ich mich „verlaufen“? War ich falsch abgebogen? Aus der Bahn gekommen? Da kommt mir bereits jemand Neues entgegen, wie viele Bahnen werden wir nebeneinander gehen? – doch der andere wendet sich in der nächsten Kurve ab, sein Weg führt woanders hin. Werden wir uns noch einmal begegnen?
Inzwischen bin ich an das Laufen gewöhnt. Mal gehe ich nahe
der Mitte, dann führt mich der vorgegebene Weg bis
an den Rand. Wie weit habe ich noch zu gehen? Durch die
Windungen habe ich jedes Gefühl für die Länge
des Weges verloren. So komme ich fast unvermittelt zur
Mitte, die vor der letzten Kehre noch so weit weg erschien.
Verdutzt stehe ich da, ausgebremst in der Bewegung. Angekommen? Oder nur
am Ende? Was nun? Auch wenn unser Labyrinth auf dem Kirchplatz in der
Größe nicht vergleichbar ist mit dem Original von Chartres -
wann sind Sie einmal auf unserem Labyrinth gelaufen? Probieren
Sie es aus, machen Sie ihre eigenen Erfahrungen mit diesem besonderen Weg
zur Mitte. Es kann spannend werden.
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