Kirchengemeinde Zazenhausen
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Stand: 30.06.2006 | ||||
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Kirchenführung Nazariuskirche Stuttgart-Zazenhausen |
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Auf Band gesprochen von: Pfarrer Volkmar Trosse a.D. (Pfarrer
in Zazenhausen von 1965 bis 2002) im Jahre 2002
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Stein rechts | Stein links, oberhalb des ersten Fensters |
Es ist Absicht, denn diese Kirche ist eine Predigerkirche, sie ist als solche auch gebaut worden im Jahre 1581, wie man auf dem Stein rechts sieht, oder 1582, wie man auf dem Stein links sieht oberhalb des ersten Fensters. Zu dieser Zeit – in der nach-reformatorischen Zeit – war man der Ansicht, dass es alleine auf das Wort ankommt, auf die Verkündigung des Wortes Gottes ankommt, also das Wichtigste ist in einer Kirche, so sagte man, eine Kanzel und nicht der Altar.
Und deswegen stand die Kanzel dort rechts auf dem Stein, heute ist sie nach links versetzt worden. Sie stand rechts auf dem Stein, und ob es Bänke gab, weiß man nicht. In früheren Zeiten – in ganz früheren Zeiten – standen die Leute ja auch während des Gottesdienstes. Auf jeden Fall waren sie dann ausgerichtet auf die Prediger hin zur Kanzel. Den Altar, so sagte man damals, braucht man eigentlich gar nicht. In katholischen Kirchen ist der Altar ja eine ganz wichtige Einrichtung, man braucht ihn für die Sakramente, um die Sakramente auszuteilen. Dies aber wurde in der Reformationszeit zurückgedrängt, und deswegen gibt es keinen Umgang um den Altar herum. Eigentlich, wie gesagt, brauchte man so etwas überhaupt nicht. Man hat ihn aber dann doch eingerichtet. So wie er heute dasteht, sind das Steine aus dem Steinbruch Wenninger. Wenn man Richtung Mühlhausen fährt, links ist ein Steinbruch, und aus diesem Steinbruch sind die Steine gebrochen und zubereitet worden, hier zu diesem Steinaltar.
Das Kreuz, das darüber steht, ist ein sicherlich sehr altes Stück, datieren kann man es nicht ganz genau, es lag lange Zeit auf der Bühne oben und ist so ungefähr 20 Jahre jetzt hier. Vorher war dahinter an der Wand ein riesengroßer Kruzifixus. Die Fenster an der Stirnseite, also Richtung Osten, sind gestiftet, man sieht es auch links, da ist der Stifter auch verewigt. [Red.: Die gestifteten Fenster] stellen auch Ornamente dar mit Blättern und ja, es sieht so aus, als wenn es Wurzeln wären. Dann haben wir hier noch rechts vorne so etwas wie eine Lichterpyramide uns angeschafft mit variablen Steinen und Kerzen darauf, die sich im Gottesdienst recht gut machen.
Man sieht an der Empore verschiedene Jahreszahlen von 1582 bis 1954,
also 1954 wurde die Kirche zum letzten Mal umgebaut. Man hat einen
Teil der Empore, die bis nach vorne gezogen war, auf der jetzigen
Kanzelseite entfernt, da durch wurde die Kirche auch heller. Und
hat es dann bei der Empore dort hinten belassen. Die Orgel ist eine
Stiftung
eines Zazenhäuser Bürgers, der sie gestiftet hat.
Dann ist erwähnenswert, dass hier an dieser Stelle wo die jetzige
Kirche steht, einmal eine Kapelle stand. Diese Kapelle wird im Jahre
789 zum ersten Mal erwähnt. Sie ist wohl so groß gewesen,
wie wenn man 5 Bankreihen von vorne nimmt und an die Wand geht, so
ungefähr in diesem Rechteck nach vorne, so groß wird diese
Kapelle wohl gewesen sein, aus Lehm und Zweigen und Hölzern
gebaut. 789 bis 1581/1582 also immerhin 800 Jahre hat diese Kapelle
hier gestanden. Dann ist sie wohl baufällig gewesen oder ist
zu klein gewesen und dann hat
man die Kirche in ihren jetzigen Ausmaßen
darüber gebaut.
789! Es gibt nur eine einzige Kirche hier, hier im Stuttgarter Raum,
in der Nähe, das ist in Mühlhausen die Veitskapelle, die älter
ist. Also eine ganz alte Kapelle, die hier gebaut wurde. Sie ist
erwähnt in einem Dokument des Klosters
Lorsch. Lorsch,
das Kloster
in der Nähe von Heidelberg. An dieses Kloster haben die Zazenhäuser
Bürger Mutherus, Emhild, Bilihild und Helmulf ein Geschenk gemacht:
Sie haben einen Acker oder mehrere Äcker an das Kloster Lorsch
geschenkt, das heißt die Erträge davon natürlich
und dafür hat das Kloster Lorsch versprochen in dieser Kapelle
dann wohl Gottesdienste oder so etwas wie Trauungen oder Beerdigungen,
Messen zu halten. Daher weiß man also, dass hier an diesem
Ort diese alte Kapelle über 800 Jahre gestanden hat.
Dann noch etwas zu dem Namen Nazarius, Nazariuskirche, Nazariuskapelle:
Nazarius ist ein Märtyrer aus dem 4. Jahrhundert. Ein Märtyrer,
d.h. der für seinen christlichen Glauben sein Leben gelassen
hat und standhaft blieb, und nicht umgefallen ist, oder sich zurückgezogen
hat oder ihn verleugnet hat, sondern standhaft geblieben ist. Sehr
viel weiß man nicht, dieser Nazarius kommt über Mailand
zum Kloster Lorsch. Er war ein Spezialheiliger dieses Klosters und
von daher von diesem Kloster Lorsch kommt also dieser Nazarius und
dieser Name hier an diese Kapelle und an diese Kirche.
Ja, diese Kirche hat auch ganz andere Zeiten schon erlebt. Man weiß,
dass sie 1697 ausgeraubt wurde, dass die Glocke gestohlen wurde.
Oder dann ein Jahrhundert später, 1796, wurden alle Bänke
herausgerissen, um daraus ein Lagerfeuer zu machen für die durchziehenden
Soldaten, und die haben dann die Kirche als Pferdestall benutzt.
Eine Kirche als Pferdestall!
1882 hat der Blitz eingeschlagen und
der Turm ist abgebrannt.
Dann hat man diesen Dachreiter wieder
aufgebaut. Es gibt zwei Glocken in diesem Dachreiter.
Ich denke, jeder, der in diese Kirche kommt, merkt, dass das ein eher intimer Raum ist, man verliert sich hier drin nicht, sondern man ist sich sehr nahe. Das ist eine schöne Atmosphäre hier drin.
Dann wollte ich noch nachtragen zu diesem Nazarius, wenn man ihn schon erwähnt. Dann will er – weil er den Namen dieser Kirche trägt – bis heute, dann will er uns den Heutigen wohl auch diese Botschaft mitgeben, standhaft zu bleiben und nicht einfach seinen Glauben zu verleugnen, oder irgendwo zu verlieren oder wegzugeben.
Und schließlich möchte ich noch was sagen zu dem, was
auf dem Kirchplatz liegt: Dort liegt ein begehbares Labyrinth, diese
Form kommt aus der Kathedrale von Chartres. Dort liegt sie in der
Kirche, und wir hatten das Glück hier ein etwas verkleinertes
Modell bei uns einrichten zu können vor fünf, sechs, sieben,
acht Jahren, der Durchmesser hier ist acht Meter, in Chartres 13
Meter. Aber es ist auch hier begehbar.
Man kann sicherlich sehr viel über ein Labyrinth sagen: Es ist ein uraltes Symbol der Menschen über den Lebensweg – es hat auch viele andere Bedeutungen – aber wenn man etwas erfahren will von einem Labyrinth, dann muss man es begehen, und wenn man es begeht, dann wird man wieder merken, wie oft man umkehren muss, umdrehen muss, in die entgegengesetzte Richtung gehen muss, umkehren, immer wieder umkehren, um ins Zentrum zu gelangen. Das ist ja auch beim Lebensweg so, dass man immer wieder umkehren muss, und das andere ist, dass, wer auf dem Weg bleibt, der wirklich dem Weg nachgeht, dass der auch wirklich ans Ziel kommt.
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