NazariuskircheEhrenmalKirchenpforte
Kirchengemeinde Zazenhausen
Stand: 30.06.2006  

Kirchenführung Nazariuskirche Stuttgart-Zazenhausen

Auf Band gesprochen von: Pfarrer Volkmar Trosse a.D. (Pfarrer in Zazenhausen von 1965 bis 2002) im Jahre 2002
In Textform gebracht und redigiert von: Uwe Steixner und Stefan Merkel, Stuttgart im Jahre 2005

[Red.: Bemerkenswert ist zunächst, dass das Zentrum Zazenhausens die Kirche und] der Kirchplatz ist und vor allem, dass mitten im Ort der Friedhof ist, der auch noch benutzt wird. Dieses haben wir in diesem kleinen Ort noch.

Dann zu dem Kirchengebäude: Es ist ja zusammengebaut mit einem anderen Gebäude, das ursprünglich das Schulhaus war. Warum das Schulhaus im Jahr 1828 hier angebaut wurde, an die Kirche, das weiß man nicht so genau. Ob es wirklich so war, dass da durch einfach nur eine Mauer eingespart werden sollte, weiß man nicht, es wird so weitererzählt.

Zatzenhausen 1681
"Zatzenhausen" , 1681

Eigentlich ist es schade, denn die Kirche stand einmal frei ohne das angebaute Schulhaus, so muss man sich das vorstellen: Es gingen dann nach Westen noch zwei Fenster hinaus, die eben jetzt weggefallen sind durch dieses Schulhaus. In diesem Schulhaus wurde dann Unterricht gegeben in einem einzigen Schulsaal. Dort waren alle sechs Klassen gesamt versammelt und ein Lehrer unterrichtete sie. Im Obergeschoss wohnte der Lehrer, der dann meistens ja auch Organist war in der Kirche, und er hatte einen eigenen Zugang von seiner Wohnung zur Orgel.

Wenn man in diese Nazariuskirche hereinkommt und nach vorne schaut, hin zum Altar, fällt einem sofort auf, dass dort etwas anders ist, dass dort etwas fehlt: Es fehlt, was in den meisten Kirchen vorhanden ist: ein Chor. Also ein Umgang um den Altar herum, das ist hier nicht vorhanden.

Stein rechts Stein links, oberhalb des ersten Fensters

Es ist Absicht, denn diese Kirche ist eine Predigerkirche, sie ist als solche auch gebaut worden im Jahre 1581, wie man auf dem Stein rechts sieht, oder 1582, wie man auf dem Stein links sieht oberhalb des ersten Fensters. Zu dieser Zeit – in der nach-reformatorischen Zeit – war man der Ansicht, dass es alleine auf das Wort ankommt, auf die Verkündigung des Wortes Gottes ankommt, also das Wichtigste ist in einer Kirche, so sagte man, eine Kanzel und nicht der Altar.

Und deswegen stand die Kanzel dort rechts auf dem Stein, heute ist sie nach links versetzt worden. Sie stand rechts auf dem Stein, und ob es Bänke gab, weiß man nicht. In früheren Zeiten – in ganz früheren Zeiten – standen die Leute ja auch während des Gottesdienstes. Auf jeden Fall waren sie dann ausgerichtet auf die Prediger hin zur Kanzel. Den Altar, so sagte man damals, braucht man eigentlich gar nicht. In katholischen Kirchen ist der Altar ja eine ganz wichtige Einrichtung, man braucht ihn für die Sakramente, um die Sakramente auszuteilen. Dies aber wurde in der Reformationszeit zurückgedrängt, und deswegen gibt es keinen Umgang um den Altar herum. Eigentlich, wie gesagt, brauchte man so etwas überhaupt nicht. Man hat ihn aber dann doch eingerichtet. So wie er heute dasteht, sind das Steine aus dem Steinbruch Wenninger. Wenn man Richtung Mühlhausen fährt, links ist ein Steinbruch, und aus diesem Steinbruch sind die Steine gebrochen und zubereitet worden, hier zu diesem Steinaltar.

Das Kreuz, das darüber steht, ist ein sicherlich sehr altes Stück, datieren kann man es nicht ganz genau, es lag lange Zeit auf der Bühne oben und ist so ungefähr 20 Jahre jetzt hier. Vorher war dahinter an der Wand ein riesengroßer Kruzifixus. Die Fenster an der Stirnseite, also Richtung Osten, sind gestiftet, man sieht es auch links, da ist der Stifter auch verewigt. [Red.: Die gestifteten Fenster] stellen auch Ornamente dar mit Blättern und ja, es sieht so aus, als wenn es Wurzeln wären. Dann haben wir hier noch rechts vorne so etwas wie eine Lichterpyramide uns angeschafft mit variablen Steinen und Kerzen darauf, die sich im Gottesdienst recht gut machen.

Man sieht an der Empore verschiedene Jahreszahlen von 1582 bis 1954, also 1954 wurde die Kirche zum letzten Mal umgebaut. Man hat einen Teil der Empore, die bis nach vorne gezogen war, auf der jetzigen Kanzelseite entfernt, da durch wurde die Kirche auch heller. Und hat es dann bei der Empore dort hinten belassen. Die Orgel ist eine Stiftung eines Zazenhäuser Bürgers, der sie gestiftet hat. Mögliches Aussehen der Nazariuskapelle

Dann ist erwähnenswert, dass hier an dieser Stelle wo die jetzige Kirche steht, einmal eine Kapelle stand. Diese Kapelle wird im Jahre 789 zum ersten Mal erwähnt. Sie ist wohl so groß gewesen, wie wenn man 5 Bankreihen von vorne nimmt und an die Wand geht, so ungefähr in diesem Rechteck nach vorne, so groß wird diese Kapelle wohl gewesen sein, aus Lehm und Zweigen und Hölzern gebaut. 789 bis 1581/1582 also immerhin 800 Jahre hat diese Kapelle hier gestanden. Dann ist sie wohl baufällig gewesen oder ist zu klein gewesen und dann hat
man die Kirche in ihren jetzigen Ausmaßen darüber gebaut.

789! Es gibt nur eine einzige Kirche hier, hier im Stuttgarter Raum, in der Nähe, das ist in Mühlhausen die Veitskapelle, die älter ist. Also eine ganz alte Kapelle, die hier gebaut wurde. Sie ist erwähnt in einem Dokument des Klosters Lorsch. Lorsch,
das Kloster in der Nähe von Heidelberg. An dieses Kloster haben die Zazenhäuser Bürger Mutherus, Emhild, Bilihild und Helmulf ein Geschenk gemacht: Sie haben einen Acker oder mehrere Äcker an das Kloster Lorsch geschenkt, das heißt die Erträge davon natürlich und dafür hat das Kloster Lorsch versprochen in dieser Kapelle dann wohl Gottesdienste oder so etwas wie Trauungen oder Beerdigungen, Messen zu halten. Daher weiß man also, dass hier an diesem Ort diese alte Kapelle über 800 Jahre gestanden hat.
Kloster Lorsch um 1615
Dann noch etwas zu dem Namen Nazarius, Nazariuskirche, Nazariuskapelle: Nazarius ist ein Märtyrer aus dem 4. Jahrhundert. Ein Märtyrer, d.h. der für seinen christlichen Glauben sein Leben gelassen hat und standhaft blieb, und nicht umgefallen ist, oder sich zurückgezogen hat oder ihn verleugnet hat, sondern standhaft geblieben ist. Sehr viel weiß man nicht, dieser Nazarius kommt über Mailand zum Kloster Lorsch. Er war ein Spezialheiliger dieses Klosters und von daher von diesem Kloster Lorsch kommt also dieser Nazarius und dieser Name hier an diese Kapelle und an diese Kirche.


Nazariuskirche DachreiterJa, diese Kirche hat auch ganz andere Zeiten schon erlebt. Man weiß, dass sie 1697 ausgeraubt wurde, dass die Glocke gestohlen wurde. Oder dann ein Jahrhundert später, 1796, wurden alle Bänke herausgerissen, um daraus ein Lagerfeuer zu machen für die durchziehenden Soldaten, und die haben dann die Kirche als Pferdestall benutzt. Eine Kirche als Pferdestall!

1882 hat der Blitz eingeschlagen und der Turm ist abgebrannt.
Dann hat man diesen Dachreiter wieder aufgebaut. Es gibt zwei Glocken in diesem Dachreiter.

Ich denke, jeder, der in diese Kirche kommt, merkt, dass das ein eher intimer Raum ist, man verliert sich hier drin nicht, sondern man ist sich sehr nahe. Das ist eine schöne Atmosphäre hier drin.

Dann wollte ich noch nachtragen zu diesem Nazarius, wenn man ihn schon erwähnt. Dann will er – weil er den Namen dieser Kirche trägt – bis heute, dann will er uns den Heutigen wohl auch diese Botschaft mitgeben, standhaft zu bleiben und nicht einfach seinen Glauben zu verleugnen, oder irgendwo zu verlieren oder wegzugeben.

Und schließlich möchte ich noch was sagen zu dem, was auf dem Kirchplatz liegt: Dort liegt ein begehbares Labyrinth, diese Form kommt aus der Kathedrale von Chartres. Dort liegt sie in der Kirche, und wir hatten das Glück hier ein etwas verkleinertes Modell bei uns einrichten zu können vor fünf, sechs, sieben, acht Jahren, der Durchmesser hier ist acht Meter, in Chartres 13 Meter. Aber es ist auch hier begehbar.

Man kann sicherlich sehr viel über ein Labyrinth sagen: Es ist ein uraltes Symbol der Menschen über den Lebensweg – es hat auch viele andere Bedeutungen – aber wenn man etwas erfahren will von einem Labyrinth, dann muss man es begehen, und wenn man es begeht, dann wird man wieder merken, wie oft man umkehren muss, umdrehen muss, in die entgegengesetzte Richtung gehen muss, umkehren, immer wieder umkehren, um ins Zentrum zu gelangen. Das ist ja auch beim Lebensweg so, dass man immer wieder umkehren muss, und das andere ist, dass, wer auf dem Weg bleibt, der wirklich dem Weg nachgeht, dass der auch wirklich ans Ziel kommt.

Eine Kurzzusammenfassung über die Nazariuskirche gibt es im Schriftenständer und eine etwas ausführlichere Darstellung steht in dem Heftchen zum 400-jährigen Jubiläum der Nazariuskirche (1582-1982).
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