Schneller und leiser über den neuen Feuerbach-Viadukt
Seine Daten und Maße sind beeindruckend: 264 Meter lang, 34 Meter
hoch, 9600 Tonnen schwer, 19 Millionen Mark (Anm. 9,7 Mio. Euro) teuer.
Der neue Feuerbach-Viadukt in Zazenhausen ist gemeint. Er hatte gestern,
nach zwei Jahren Bauzeit, seine Bewährungsprobe zu bestehen: die Überfahrt
des ersten Zuges, gleichbedeutend mit der Aufnahme des Zugverkehrs über
die neue Brücke im Verlauf der Güterstrecke Kornwestheim-Untertürkheim.
Und weil man bei der Bundesbahn und auch in Zazenhausen schon wußte,
daß die Premiere glücken würde, war am Fuß des
Viadukts eine zünftige Hocketse organisiert worden. Der Clou des
Tages aber war die Kapelle der Freiwilligen Feuerwehr: Sie fuhr im ersten
Zug mit, ließ auf der Brücke halten und brachte der Festversammlung
drunten ein passendes Ständchen. Dies allerdings war zugleich eine
Art Abgesang auf den alten, unmittelbar danebenstehenden Viadukt: Vor
80 Jahren gebaut, hat die veraltete, reparaturanfällige Stahlkonstruktion
nun ausgedient. Die Bürger sind's zufrieden, denn der Zuglärm
auf der hochmodernen Stahlbetonhohlkastentalbrücke wird weit geringer
sein, obwohl die Züge nun mit Tempo 90 darüberfahren: früher
fuhren sie nur 80 Sachen: Und noch etwas: Der neue Viadukt besitzt eine "geschlossene
Brückenfahrbahn", was bedeutet, daß das Regenwasser nicht
herabtropft wie früher, sondern ordentlich abläuft und auch
Gegenstände, Schmutz oder Staub nicht mehr herabfallen können.
Bei 250 Zügen täglich ist das durchaus ein wesentlicher Fortschritt.
(tom) Foto: Wilhelm Mierendorf, Stuttgarter Zeitung vom 15.06.1982
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Am Montagabend fuhr der erste Zug über den
neuen Eisenbahn-Viadukt bei Zazenhausen
Auf Spannbeton übers Feuerbachtal
(ddw) - Die Fanfaren der Feuerwehrkapelle kamen aus luftiger Höhe:
34 Meter über dem Erdboden stehend schmetterten
die Musikanten mit den Blechblasinstrumenten ihre schmissigen Weisen
auf die Hocketse hernieder, die anläßlich der Eröffnung
des Feuerbach-Viadukts in Zazenhausen am Fuße dieser
neuen Eisenbahnbrücke stattfand. Pünktlich um 17.09 Uhr rumpelte
am Montagabend der erste Zug über das neue Bauwerk,
was für die Hocketse-Gäste und die Zazenhausener nicht
nur wegen dem Fahrgast „Musikkapelle", der hoch oben sein Ständchen
spielte, ein besonderer Ohrenschmaus war. „Der Lärm
der neuen Brücke wird vom Gefühl her mindestens halbiert",
hatte Bundesbahn-lngenieur Wulf Sabban vesprochen.
Dem aufschlussreichen Phon-Vergleich sind derzeit nämlich noch
Signal und Ohr geöffnet. Der Grund: die neue Brücke wird bis Samstag, 26. Juni,
nur von Zügen befahren, die von Kornwestheim kommend in Richtung Untertürkheim
verkehren. Die Schienenfahrzeuge in Gegenrichtung,
also von Untertürkheim nach Kornwestheim, rollen während
dieser Zeitspanne noch auf dem alten Viadukt. Auf
jeder Brücke herrscht also Einbahn-Verkehr auf nur einem Gleis,
Bundesbahn-Jargon: gemischter Betrieb.
Der findet dann am Samstag, dem 26. Juni, sein Ende: der Fahrbetrieb auf der
alten, in den Jahren zwischen 1894 und
1904 erbauten Brücke, wird endgültig eingestellt. Zwei Tage
lang bis Montag, den 28. Juni, wird der Verkehr eingleisig auf
dem Schienenstrang Kornwestheim-Untertürkheim abgewickelt. Das
zweite Gleis des neuen Feuerbach-Viadukts wird
dann am Montagabend zum ersten Mal befahren: um 17.20 Uhr rollt der erste
Zug (Nummer: Gag 57 674) von Untertürkheim
kommend in Richtung Kornwestheim über
die neue Brücke, die dann vollständig das
alte Bauwerk abgelöst hat.
Der alte Viadukt, der direkt neben dem Neubau steht, wird dann Schritt für
Schritt abgebaut. Gleise werden demontiert, die Überbauten entfernt
und so der Abbruch des Viadukts vorbereitet, bei
dem im übrigen nicht nur die parallelgurtigen Netzfachwerküberbauten
aus Stahl und die Pfeiler, sondern auch die Auflagemauern an den beiden Talwänden
abgetragen werden. Ob gesprengt oder "nur" abgebaut
wird, darüber ist man sich bei der Bundesbahn noch nicht schlüssig, allein der Zeitplan steht.
Wulf Sabban: „Spätestens im Sommer 1983 soll man vom
alten Viadukt nichts mehr sehen."
Bis dahin wird es längst alltäglich sein,
daß in 24 Stunden rund 259 Züge über den
neuen Viadukt das Feuerbachtal bei Zazenhausen überqueren, die
Jungfernfahrt am Dienstagabend entbehrte jedoch nicht
einer erwartungsvollen Spannung. Passieren konnte im übrigen rein
gar nichts: noch am Sonntagmorgen nämlich hatten
die Bundesbahn-Techniker Belastungszüge über die Brücke
fahren lassen, und dabei die Durchbiegungsgrade gemessen. „Theoretisch
Errechnetes und praktisch Erprobtes haben hervorragend übereingestimmt", sagte Sabban.
So werfen die Konstrukteure zu Recht einen stolzen Blick auf die Brücke, die aus
Spannbetonhohlkästen zusammengesetzt ist. Ein Bausystem, das die Bundesbahn
zum ersten Mal in Zazenhausen bei einer größeren Talbrücke anwendete.
Und beachtlich sind Ausmaße des neuen Viadukts allemal, in
Zahlen: Maximale Höhe 34 Meter, Länge 264 Meter,
zwei Schienenstränge mit vier Meter Abstand, die auf Schotter gebettet
sind. Fünf Pfeiler, die jeweils 44 Meter voneinander
entfernt sind und einen Spannbetonhohlkasten tragen, der 1200 Tonnen
schwer ist und auf dem 400 Tonnen Schotter und
Gleis lagern. Zusammen haben die Brückenüberbauten damit ein
Gewicht von 9600 Tonnen, der alte Viadukt wog gerade
1720 Tonnen. Eine Gewichtszunahme, die
natürlich auch die geringere Lärmimmission bewirkt.
Eines freilich kann neue Brücke trotz ihrer eleganten Bauweise
nicht ersetzen: der alte Viadukt ist eine Erinnerung an Eisenbahnzeiten
von anno dazumal freilich nicht mehr lange.
264 Meter lang ist die neue Eisenbahnbrücke über das Feuerbachtal, die
am Montag eingeweiht worden ist und die die Anlieger die Lärmbelästigung
durch den Zugverkehr verringern soll.
Foto: Durchdenwald
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